Unsere Kiezhelden für Moabit-Ost

Wir stellen in dieser Serie besonders engagierte Bürger*innen aus Moabit-Ost vor.

Besessenheit und Leidenschaft

Alle Aktiven der Kulturfabrik Moabit (KuFa) zu einem Interview zu versammeln, erschien mir ein schwieriges Vorhaben. Doch als sich zum Fototermin fast die Hälfte der Ehrenamtlichen einfindet, bin ich erstaunt. Schließlich sind die meisten, die dieses Haus mit seinen vielen Institutionen – von Theater bis Werkstatt – am Leben halten, irgendwo anders beschäftigt. Keiner hier kann von seiner Leidenschaft leben.Um Leidenschaft als Motor geht es dann oft im Gespräch mit Robin vom Club Slaughterhouse und Jutta von den Kufa-Kids, die sich stelllvertretend für das ganze Team Zeit genommen haben. Das Gebäude, in dem man früher Wurst, Kekse oder Konserven produzierte, ist in einem erbärmlichen Zustand. „Man braucht wirklich viel Beharrlichkeit, um z.B. jeden Abend anspruchsvolle Filme zu zeigen, auch wenn es keine Zentralheizung gibt und es durch die Fenster zieht“, meint Robin. Jutta ergänzt: „Die meisten sind besessen – im positiven Sinn“. Seit 1991 ist die KuFa ein Ort für Menschen, die etwas ausprobieren wollen – jenseits von Kommerz. Man braucht lange, um das Prinzip Kufa zu verstehen. Auf die Frage, wer hier eigentlich den Hut aufhat, kommt die Antwort: „wir alle“. Ab Herbst wird hoffentlich saniertWeil sich alle für diese Idee – Kunst, Musik, Theater, Bar, Kino unter einem Dach zu vereinigen – verantwortlich fühlen und durchgehalten haben, kann es in diesem Jahr mit der Sanierung endlich losgehen. Robin gerät fast ins Schwärmen über die zukünftigen Möglichkeiten. „Den Mehrzweckraum im Erdgeschoss können dann alle Nachbarn nutzen: für kleine Feiern, Diskussionen oder Lesungen. Die Bühne steht weiterhin Nachwuchskünstlern für erste Auftritte zur Verfügung. Es gibt kaum noch Räume mit diesem Equipment (Lautsprecher, Mikros, Scheinwerfer) für wenig Geld zu mieten. Nebenan in der Garage können Nachbarn später in der Werkstatt ihr Rad selbst wieder flott machen.“ Jutta Schramm, die seit acht Jahren die KuFa-Kids nebenan betreut, ergänzt: „Wir machen dort weiter, wo wir heute sind, aber unter besseren Bedingungen. Mit den rund 20 Kindern, die täglich bei uns spielen, ein Essen und Hilfe bei den Hausaufgaben erhalten, können wir dann noch öfter die KuFa-Räume nutzen. Wenn die Bühne saniert ist, werden es noch mehr Kinder, denn unsere Theater-Kurse sind beliebt.“
„Wir sind keine Insel“Seit 2014 erhält die KuFa Unterstützung vom Quartiersmanagement, um noch mehr Anwohner für die Angebote im Haus zu begeistern. Auf die Frage, warum sie sich für das komplizierte Projektverfahren entschieden haben, sind sich beide einig: Sie wollen ein Teil der Lehrter Nachbarschaft bleiben und auch deren Ideen mit verwirklichen. Deshalb traf sich das Team der KuFa schon dreimal zu Gesprächen mit Nachbarn, Anliegern und der Polizei. Dabei entstand z.B. die Idee für das Fest am 29. Mai, bei dem Open-Air-Kino-Saison eröffnet wird und die Kinder ein tolles Programm erwartet. „Uns ist klar, dass die Nachbarn auch einiges aushalten müssen: Musik und Kino sind nun mal laut. Und es wird zumindest während der Bauzeit nicht weniger Lärm geben“, meint Robin. „Aber bis dahin passiert mit und für die Bewohner der Lehrter Straße noch vieles. Es wird ein toller Kufa-Sommer!“, versprechen die Kiezhelden von der Kulturfabrik.

Bianka Spieß

Selbstlos für Kinder

Im Moabiter Kinderhof am Fritz-Schloß-Park ist immer Betrieb. Die Kinder aus der Umgebung lieben es, hier ihre Freizeit zu verbringen. Eine, die weiß, was Kinder wollen und brauchen, ist Irene Stephani. Sie hat vor fast 20 Jahren den Kinderhof mitgegründet und eine der wenigen, die heute noch dabei sind. 

Und das alles ehrenamtlich

Dabei bekommt Frau Stephani keinen Cent für ihre Arbeit. Ehrenamtlich kümmert sie sich um Gelder für die zahlreichen Projekte, auch um jene, die das Quartiersmanagement fördert. Nach ihrer Arbeit als Sozialarbeiterin in einer Pankower Schule geht sie noch zwei- bis dreimal in der Woche in die Seydlitzstraße und schaut nach „ihren“ Kindern, berät die Betreuer und bastelt an Konzepten für eine sinnvolle Freizeitgestaltung. Sie hat in den 20 Jahren hunderte Kinder mit ihren Wünschen und kleinen Sorgen kennengelernt. 
Weil sie in ihrem ersten Beruf Lehrerin war, versteht sie ganz genau, was Schulkinder brauchen. Deshalb setzt sie sich auch dafür ein, dass die Hilfe bei den Hausaufgaben im Kinderhof selbstverständlich ist. Genauso wichtig ist Irene Stephani, den Kindern aus dem Kiez Zuwendung und Aufmerksamkeit zu geben. Um ihnen besser helfen zu können, hat die Leiterin des Kinderhofs ihren Beruf an den Nagel gehängt und eine Weiterbildung zur Schulsozialpä­dagogin abgeschlossen.

Im Quartiersrat dabei
Und als wäre dies nicht genug, engagiert sich Irene Stephani auch noch im Quartiersrat. Dort setzt sie sich unter anderem dafür ein, dass die Schulen, Kitas und Freizeiteinrichtungen besser zusammenarbeiten. 

Manch einer kennt Irene Stephani aber noch in ihren beiden anderen Ehrenämtern: sie singt im Chor der Moabiter Erlöser-Gemeinde mit. Auch dort stehen viele Konzert- und Proben-Termine auf dem Plan. Zudem unterstützt die Moabiterin den Mädchenfußball-Verein Moabiter FSV, nicht nur, weil ihre Tochter dort mitspielt. 

Irene Stephani ist eine Kiezheldin für Moabit. Danke.

Bianka Spieß

„Mitreden bedeutet mehr als nur meckern“

Bernd Sindermann aus der Perleberger Straße ist seit Herbst 2011 Sprecher des Quartiersrats. In diesem Gremium beteiligen sich Menschen, die im Kiez leben oder arbeiten. 

Warum haben Sie sich für diese sicher zeitraubende und ehrenamtliche Tätigkeit zur Verfügung gestellt?Ehrenamtlich tätig zu sein, ist für mich ein Bedürfnis. So konnte ich als Vorsitzender des Bezirkselternausschusses Kita schon eine Menge Erfahrung sammeln. Da spürte ich auch, dass man als Bürger etwas verändern kann. Die Berliner Initiative für ein Volksbegehren, mehr Erzieher/-innen für Kindergärten einzustellen, war erfolgreich. Da war Geduld und Verhandlungsbereitschaft gefragt, zwei Eigenschaften, die mir hier im Quartiersrat zugute kommen. 

Was ist anders bei Ihrer Arbeit im Quartiersrat?
In einer lokalen Initia-tive trifft man auf Menschen, die man so nie kennenlernen würde. Ich empfinde das als Gewinn. Jeder bringt so unterschiedliche Erfahrungen und Wünsche mit, da muss man sich auch manchmal zurücknehmen und einfach zuhören können. 

Wie entscheiden Sie im Quartiersrat, ob eine Projektidee realisiert werden soll?
Wir haben gemeinsam Kriterien erabeitet, nach denen wir die eingegangenen Vorschläge beurteilen und die besten auswählen. Ein Projekt sollte lange nachwirken, Bürger einbeziehen und zu eigenen Aktivitäten motivieren. Aus den 80 Ideen, die im Januar eingereicht wurden, legten wir eine Rangfolge fest. Wir nahmen uns dafür viel Zeit und redeten uns mitunter die Köpfe heiß. Im Endeffekt haben wir aber für die Zeit bis 2014 sehr interessante Konzepte auf den Weg gebracht. 

Wie geht es dann weiter?
Als Sprecher nehme ich an den Steuerungsrunden teil. Dabei entscheiden Vertreter des Bezirksamtes, der zuständigen Senatsverwaltung und natürlich das Quartiersteam, welche Projekte ausgeschrieben werden sollen. Im Auftrag des Quartiersrats erkläre ich, warum wir genau jenes Projekt befürworten. Später ist jeder von uns Pate bei einem Projekt – zusammen mit dem Quartiersteam.

Sie haben einen Beruf, drei Kinder, ein zweites Ehrenamt. Wie vereinbaren Sie das? 
Der Kiez ist mir wichtig und meckern hilft nicht. Man muss sich einmischen. Im Moment kann ich das zeitlich ganz gut vereinbaren. Derzeit studiere ich auf Lehramt und bin selbstständig, da bin ich flexibler. Die Kinder gehen jetzt alle zur Schule und sind schon selbstständiger. Ab Herbst endet daher auch meine aktive Zeit beim Bezirkselternausschuss, sodass ich mich noch stärker im Quartier einbringen kann. 

Das Interview führte Bianka Spieß

 „Wir müssen aufklären, anders funktioniert's nicht“

„Ich bin doch kein Held!“, entgegnet Baruch Roth wie alle 18 Kiez­helden vor ihm, als ich ihn zum Gespräch einlade. Doch mit jeder Minute unseres zweistündigen Treffens wird klarer, warum er diesen Titel durchaus verdient. 

Baruch Roth ist Migrant wie viele Moa­biter; seine Geschichte jedoch ungewöhnlich. Sie begründet sein Engagement in Moabit-Ost. Zur Welt kam er in der ukrainischen Stadt Lwów. Dort lernte er seine ersten drei Sprachen: russisch, jiddisch und ukrainisch. Auch von seiner Familie überlebten nur wenige den Naziterror. Unter Stalin wurde danach das Leben für Juden nicht leichter. 1956 wanderten die ­Roths deshalb nach Israel aus. Als junger Mann wurde er 1967 Soldat im 6-Tage-Krieg: Ein Ereignis, das ihn nachhaltig prägte. Es war der Anfang seines Strebens nach Aussöhnung mit dem palästinensischen Volk, für die er auch heute viel tut. Baruch Roth studierte Architektur in Darmstadt, lernte drei weitere Sprachen und blieb, weil er nicht an jüdischen Siedlungen in den palästinensischen Gebieten mitbauen wollte. Stattdessen wurde er ein anerkannter Architekt, der Bauten im In- und Ausland mit betreute. Mittlerweile lebt er 43 Jahre in Deutschland, 13 davon in Berlin. Heute betreibt er eine Agentur für Individualreisen u.a. nach Israel und nach Palästina.

Für den Quartiersrat warb ihn sein Nachbar Bernd Sindermann. Da war noch nicht abzusehen, dass er sich so für die Jugendlichen einsetzen würde. Er entwickelt Konzepte, um den Jugendlichen Werte zu vermitteln. Baruch Roth mischt sich ein, z.B. in das Projekt „Starke Schüler – starke Schule“ an der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule (siehe 25. Ausgabe). „Es geht nicht nur um kleine Verbesserungen hier und da“, betont Roth mit großem Nachdruck. Die Jugendlichen sollen selbst beim Bezirksamt auf ihre Rechte pochen. Dass zum Beispiel in der Mensaküche eine leise Absaug-Anlage eingebaut wird. Zurzeit ist diese aufgrund eines Anwohnerprotestes ausgeschaltet, weshalb es komisch riecht und die Schüler nicht mehr gern essen gehen.

Er bedauert, dass viele arabisch­stämmige Kinder kaum etwas über die arabische Hochkultur auf der iberischen Halbinsel im Mittelalter wissen. Wenigen sei bewusst, wie sehr der Orient den europäischen Fortschritt beeinflusste. „Wir sollten die Jugendlichen darüber aufklären, ihnen zu besserer Lernfähigkeit verhelfen und sie damit aus ihrer ‚Opferrolle’ befreien“, fordert unser Kiezheld aus Moabit. „Nur dann können Sie später zu mündigen Bürgern werden!“

Bianka Spieß

Die Talente der Eltern nutzen

Marcus Plaen, Elternsprecher der Kurt-Tucholsky-Grundschule in der Rathenower Straße, möchte das Wissen und Können von Müttern und Vätern stärker nutzen: „Es sind doch wahre Schätze, die man heben kann! Selbst wenn Eltern nicht perfekt Deutsch sprechen, können sie der Schule helfen. Und sie sind dazu auch bereit“. Viele Eltern möchten gern mitplanen und mitmachen, sei es bei Ausflügen oder der Gestaltung von Klassenräumen.

Unser Kiezheld geht selbst mit gutem Beispiel voran. Unterstützt vom Quartiersmanagement kaufte er Pflanzen und schuf so mit Schülern, Lehrern und Erziehern den „Schulhof zum Vernaschen“. Nicht alle Himbeer- oder Brombeer-Büsche überstanden den heißen Sommer. „Doch die Kinder wissen nun, wo die leckeren Beeren wachsen und dass man fleißig gießen muss“, meint Plaen lächelnd. „Auch die Begleitung der Kinder vom Vokalhelden-Chor zur Probe durch uns Eltern klappt inzwischen zuverlässig.“

Der in Moabit aufgewachsene Wirtschaftsingenieur studierte den Passus „Elternvertretung“ im Schulgesetz genau und änderte seit seiner Wahl zum Gesamtelternsprecher einiges: „Denn Entscheidungen der Schule müssen transparent sein, damit auch türkische und arabische Eltern Lust haben, mitzumachen. Das gibt ihnen das gute Gefühl, etwas für ihr Kind zu tun.“ Marcus Plaen weiß, dass es Mut braucht, wenn man nicht alles versteht…

„Wir müssen auch über Religion sprechen, selbst wenn dies für manche Pädagogen kompliziert ist. Helfen können uns dabei Sprachmittler aus dem Kiez. Es ist doch traurig, wenn 11 Kinder einer Klasse aus scheinbar religiösen Gründen nicht zur Klassenfahrt mitdürfen. Da sollten wir uns Zeit nehmen für die Bedenken der Eltern, sie aufklären und nicht bloß die Schultern zucken.“

Mit der neuen Direktorin Petra Uhlig ist er sich einig: „Diese Schule verändert sich gerade stark. Einiges ist schon gut, anderes lässt sich noch verbessern – vor allem mit engagierten Eltern. Da bleibe ich hartnäckig. Meine Tochter ist ja noch 3 Jahre hier“, meint Kiezheld Marcus Plaen. Wer ihn kennt, weiß, dass er die Puste dafür hat.

Bianka Spieß

Power für den Stephanplatz

Allein hätte sie das nicht geschafft. Dafür musste C. Onken eine Schar von ebenso engagierten Leuten für das Projekt „Power 21” zusammen trommeln. Derzeit sind es sieben, doch den Hut behält die energiegeladene Mutter auf. Die studierte Sozialpädagogin setzt einen Großteil ihrer Freizeit dafür ein, dass es auf dem Stephanplatz inzwischen sehr friedlich zugeht. 

Das war nicht immer so
Es gab Schlägereien zwischen Jugendgruppen, kaum einer traute sich auf den Platz. Schon 2006 war C. Onken klar, dass die Jugendlichen direkte Angebote für die Freizeit brauchen. Das war die Geburtsstunde von Power 21. Weithin sichtbar stand noch 2008 der „Moabiter Leuchtturm“ auf dem Gelände des heutigen Moa-Bogens. Damals motivierte Power 21 Jugendliche, den Schornstein zu beleuchten. Sie bauten dafür ein kleines Solarkraftwerk auf dem Platz und zeigten, dass sie mehr als nur Dummheiten drauf haben.

Ein Spielcontainer für alle
Später richtete Power 21 die Spielzeugausleihe auf dem Stephanplatz ein und begann mit der persönlichen Betreuung der spielenden Kinder. Heute ist der bunt-bemalte Container voll mit Sandspielzeug, Bällen, Kinderrädern und ganzjährig geöffnet. Die Betreuung von April bis Oktober verlangt solch ein Organisationstalent, wie es Frau Onken ist. Ihre Mitstreiter zeigen Kindern und Jugendlichen gemeinsam zu spielen. Es wird darauf geachtet, dass Große die Kleinen nicht verdrängen und Streitereien ohne Gewalt beigelegt werden. 

 

Die gewählte Quartiersrätin Celine Onken ist eine Verfechterin von Fairness. Die zerstrittenen Jugendgruppen beruhigte sie mit einem Trick: sie organisierte Fußball-Turniere mit gemischten Mannschaften. Die übliche Diskussion um den Sieg blieb aus. Dieses Prinzip gilt noch heute: bei Turnieren – ob Fuß- oder Basketball – gewinnt immer die Mannschaft mit den fairsten Spielern. 

Im Sommer herrscht großer Trubel
Manchmal kommen mehr als 100 Kinder zwischen 4 und 17 Jahren am Tag. Immer wieder bietet Power 21 Ausflüge und Sportfeste an. Ein Teil der Kosten wurden in den letzten Jahren durch die Förderung des Quartiersmanagements getragen.

Auch die Schulkonferenz der Kurt-Tucholsky-Grundschule dankt Celine Onken von Herzen. Seit Jahren engagiert sie sich dort als Elternvertreterin. Ihr Beitrag zu den positiven Veränderungen in der Schule ist nicht wegzudenken. Auch deshalb ist Celine Onken eine Kiezheldin!

Bianka Spieß

www.power21.de.tl

„Bücher öffnen eine neue Welt“

Zum Dank gab es Erdbeertörtchen zum Kaffee. Frau Poggendorf, Leiterin der Grundstufe der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule in der Siemensstraße 20, hat ihre sechs Lesepaten ins Direktorenzimmer eingeladen und lobt nun die gute Zusammenarbeit. „Was Sie jede Woche hier leisten, ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit“, betont sie.  

Die Lesepaten kommen zum Teil schon seit Jahren hierher, um mit Kindern der 2.–6. Klassen lesen zu üben, manche von weit her. „Einigen Kindern fällt es schwer, Silben zu erfassen“, meint eine der Lesepatinnen. „Ich nehme mir die Zeit und wir lesen so langsam, bis der Text verstanden ist. Die Hilfe tut gut, denn im Unterricht werden Mitschüler, die schon weiter sind, leicht ungeduldig. Und dann geht gar nichts mehr.“ 

Ihre Nachbarin ergänzt: „Ich kann mich als Psychologin sowohl in die Kinder als auch in die Situation der Eltern hinein versetzen. Manchmal gebe ich dann von Mutter zu Mutter Tipps, wie das Lesen zuhause weiter geübt werden kann. Alle wollen doch, dass ihre Kinder gut in der Schule mitkommen.“ Die Lesepaten empfehlen vor allem Märchen, diese seien „doch so wichtig sind für die kindliche Phantasie“

Die Lesepaten der Theodor-Heuss-Schule tun mehr als üblich. Sie sprechen mit den Lehrern über Probleme und Fortschritte der Kinder. Außerdem organisieren die fünf Frauen mit ihrem Sprecher Herrn Eickhoff-Koberg einen Lesewettstreit zur jährlichen James-Krüss-Lesewoche. Die besten aus jeder Klasse dürfen auf der Bühne gegeneinander antreten. In diesem Jahr überzeugten besonders Cemren, Faiza, Nabiola, Ferial, Sophie und Zainab aus den 5. Klassen mit ihrer Lesekunst.

Sie wollen Schülern helfen?

Die Lesepaten freuen sich über weitere ehrenamtliche Mitstreiter/-innen. Gesucht werden auch Lernpaten für die Mittelstufe. Gern können sich Studierende in den Schulen melden, um den Kindern und Jugendlichen bei der Bewältigung von Hausaufgaben zu helfen.

Selbst in den Kindergärten Moabits sind Lesepaten herzlich willkommen. Interessierte können sich direkt in der Schule/Kita melden. Informationen

Bianka Spieß

Fair mit klarer Ansage

Seit 1½ Jahren weht ein frischer Wind durch das Obdachlosen-Wohnhaus in der Lübecker Straße. Seitdem leitet Andrea Koppelmann diese soziale Einrichtung mit fast 70 Bewohnern. Die studierte Stadtplanerin versucht Vieles, um das Leben im Wohnheim zu verbessern. Dafür arbeitet sie u.a. mit dem Quartiersmanagement Moabit Ost zusammen. So bepflanzten ihre Schützlinge letztes Jahr Balkonkästen oder waren im Dezember 2011 mit dem Fotoapparat unterwegs, um Aufnahmen von ihrem Alltag zu machen. Daraus entstand im hellen Treppenhaus die Ausstellung „Mein Hausflur, mein Museum“. Sie stieß in der Nachbarschaft auf reges Interesse – so mancher betrat auf diese Weise zum ersten Mal das Gebäude. Andrea Koppelmann hofft, durch solche Aktionen Vorurteile abzubauen, aber auch die Bewohner zu selbstständigem Handeln zu befähigen. Sie legt Wert darauf, dass die Obdachlosen ihre „sieben Sachen“ in Ordnung halten, den Waschtag nutzen und die Regeln im Wohnheim akzeptieren. 
Immerhin leben zwei Drittel der Bewohner ständig hier. „Trotz Suchtkrankheit trägt jeder Eigenverantwortung. Das gilt auch für das Stellen von Anträgen. Da helfe ich, nehme aber keine Arbeit ab“, betont Frau Koppelmann. Alle nutzen Gemeinschafts-Toiletten und -Duschen. Das bedeutet, dass „die Privatsphäre hier extrem eingeschränkt ist.“
Um das Miteinander zu verbessern, denkt sich unsere Kiezheldin immer wieder etwas aus. So hatten die Obdachlosen für das Fest im Gesundheitszentrum Moabit (GSZM) im August 2012 einiges vorbereitet: Kräutertassen mit Untersetzern aus Kronkorken gebastelt. Beim Suppenfestival in der Pritzwalker Straße (im September 2012) boten sie zwei verschiedene Suppen an. Manche Bewohner hatten noch nie kalte Suppen gekocht.

Ohne die Energie von Frau Koppelmann wären all diese Aktivitäten undenkbar. Gerade bereitet sie eine Ausstellung in der Turnhalle vor: über die Vergangenheit des Hauses, das zuvor Schwestern-Wohnheim des ehemaligen Krankenhauses Moabit war. Dafür musste sie mit den Bewohnern erst den Keller durchstöbern und Fotos aus dem Archiv besorgen. Das Resultat können Sie, liebe Nachbarn dann gern bewundern und wieder einmal staunen, was Menschen auch in schwierigen Lebenssituationen leisten können, wenn sie eine Kiezheldin an ihrer Seite haben. Am 31. Mai veranstaltet das Obdachlosenwohnheim einen Tag der offenen Tür – gleichzeitig mit dem Nachbarschaftsfest.

Gudrun Radev

„Das ist mein Ausgleich“ 

Andreas Klahn lächelt, als ich das Blütenmeer an der Pritzwalker Straße bewundere. Zu recht, denn alles, was hier grünt und blüht, wurde von ihm aufgebaut. Ehrenamtlich, versteht sich. Wow! „Hier war anfangs nichts außer einer trockenen Wiese“, erklärt Klahn. „Ende der 70er Jahre riss man ja die alten so genannten Mietskasernen mit ihren engen Hinterhöfen ab, um – wie es hieß – mehr Licht und Luft zu schaffen.“ Als er vor 27 Jahren in den Neubau zwischen Pritzwalker und Wilsnacker Straße zog, war rings herum eine Brache. Seitdem ist er als Hausmeister für alle Mieter ansprechbar und krempelt in seiner Freizeit die Ärmel hoch. Er legte farbenfrohe Blumen-Beete an, stellte die niedrigen Zäune auf, pflanzte Bäume und besorgte Steine. So schuf er allmählich ein Kleinod, das seines gleichen sucht. „Jedet Jahr wat' Neuet“, beschreibt er sein Vorgehen. Das Handwerkliche brachte er sich selbst bei – und baute sogar einen kleinen Wasserfall…Wo nimmt er nur die Energie dafür her? „Es macht mir Spaß, und je mehr sich die Leute freuen, desto eifriger werde ich“, versichert Klahn.

Der gelernte Tierpfleger ist seit Jahren als Busfahrer der Berliner Verkehrsbetriebe BVG im Einsatz – im Früh- und Spätdienst. Das strengt an! Und bei so viel Verantwortung braucht er nach Feierabend einen Ausgleich: Klar. (Wenn das doch noch mehr Berliner sagen würden, dann gliche unsere Stadt einem Schmuckkästchen.) Seine Lieblingsblume ist übrigens die Hosta, die darf auf seinem Beet nicht fehlen.

Die Nachbarn kennen und achten ihn, erkundigen sich alle besorgt, wie es ihm gehe. Denn ein Unfall hatte ihn mehrere Monate außer Gefecht gesetzt. „Jetzt bin ich wieder öfters unten“, versichert er und überlegt, was er als Nächstes anpackt – unser Kiezheld.

Gudrun Radev 

Nachbarn an einen Tisch

Gut gelaunt versammeln sich die Frauen um den Tisch auf der Pritzwalker Straße. „Wir alle fühlen uns sehr wohl hier – wie im Garten“, freut sich Sedanur Karaca. Sie stammt aus der Türkei und lebt schon Jahrzehnte in Deutschland, wie auch die anderen Frauen in der Runde. Frau Karaca ist eine Persönlichkeit und kann andere begeistern. Ihr Wort hat Gewicht in der Straße. 

Seit das Quartiersmanagement im Mai 2012 die Aktion „Pritze putzt“ startete – bei der Alt und Jung einmal ordentlich sauber machten – sind sich die Menschen hier näher gekommen. Nachmittags treffen sie sich, bringen Kleinigkeiten zum Essen und Trinken mit, laden Nachbarn ein. An diesem Tisch haben sie sich schon einiges ausgedacht, was die Mieter zusammenbringen soll. So stellten die Bewohner Anträge auf Förderung von zwei kleinen Festen – zur Fußball-EM und zum Ende des Ramadan. Auch der große Schirm, der sie vor Hitze und kleinen Regenschauern schützt, konnte über den Quartiersfonds 1 finanziert werden.

Dass der Stadtrat Carsten Spallek bei seinem Rundgang Mitte Juni sogar einen Abstecher zu Ihnen machte, freute Sedanur Karaca sehr. „Aber wir sitzen nicht nur hier und reden. Wir achten auch darauf, dass die Beete vor dem Haus sauber bleiben und die Kinder ihren Müll selbst weg tragen.“ Anschließend lud sie ihre Gäste zum Tee ein. Auch Sie, liebe Leserinnen und Leser sind herzlich bei Frau Karaca und ihren Nachbarinnen eingeladen.

Gudrun Radev

Sport verbindet uns miteinander

Es ist wie ein Farbenrausch: stahlblauer Himmel, das satte Grün des Rasens und die karmesinrote Tartanbahn. Barbara Jensch steht die Freude ins Gesicht geschrieben, wenn Kinder und Erwachsene, Behinderte, Familien oder Senioren zum Training im wieder erstrahlten Poststadion erscheinen. Schließlich ist sie, die alle Bärbel nennen, als stellvertretende Vorsitzende des ASV die Seele der Abteilung Leichtathletik. Seit über 50 Jahren ist sie Mitglied und kümmert sich scheinbar um alles, selbst um den Kaffee, der für Besucher, Eltern oder Vereinsmitglieder bereitsteht. Vor allem liegt ihr der Breiten- und Behindertensport am Herzen. Besonders stolz ist sie, dass ihre Idee jährlich einen Volkslauf für alle Moabiter zu organisieren, zu einer Tradition geworden ist. Dieser Wettkampf – gestaffelt nach Altersklassen – findet zu Ehren des 85-jährigen ehemaligen Zehnkämpfers Helmut Böhm statt, der selbst jedes Jahr noch am Start steht. „Es ist eine schöne Strecke vom Stadion aus durch den Fritz-Schloß-Park“, versichert Bärbel. 

Zum Training begrüßt sie die Sportler persönlich: „Ich versuche, alle hier in unsere Sport-Familie einzubinden.“ Einige nehmen an Wettkämpfen teil, werden von Talenten wie den nigerianischen Sprintern David und Chinedu angeleitet. Das Training für Kinder läuft auch im Sommer dank der vielen Helfer dreimal pro Woche weiter. 

Woher nimmt die langjährige Trainerin die Motivation, sie könnte sich doch längst zur Ruhe setzen? „Man muss sportverrückt sein“, lächelt sie. Sie war erfolgreich im Kugelstoßen, Speer- und Diskuswerfen, gewann Wettkämpfe und wurde als Seniorin deutsche Meisterin im Behindertensport. Schon als Kind trainierte sie hier; wohnte ja nicht weit, in der Werfstraße, später in Spandau, und nun wieder hier nahe des Stadions.

Natürlich lenkt sie das Gespräch auf ihr nächstes Vorhaben: „Am 5. September machen wir mit beim Tag des Sportabzeichens. Jeder kann kommen und beweisen, was er drauf hat. Manche brauchen es für den Dienst bei Polizei und Justiz, andere fürs Studium. Bärbel rechnet mit über 100 Teilnehmern. 

Im Frühjahr hatte sie zusammen mit der Stadtmission Flüchtlinge aus der Nachbarschaft eingeladen: „Da kamen 300 Menschen vieler Nationalitäten in unsere Halle, z.B. aus Kosovo oder Syrien. Wir spendeten ihnen Sportsachen, und sie machten mit. Sogar der ZDF-Kinderkanal berichtete über die Aktion „Auf die Plätze fertig los“.   

2013 erhielt unsere Kiezheldin den „Vera-Ciszak Preis“ des Berliner Turn-/Freizeitsport-Bundes in Anerkennung ihres unermüdlichen Einsatzes. Gelobt wurde ihre Arbeit für die Integration und Förderung von Menschen jeden Alters, mit und ohne Handicap oder Migrationshintergrund. Bewundernswert! Persönlich wünscht sich Barbara Jensch: „Die Menschen sollen Sport treiben und Spaß dabei haben!“

Gudrun Radev

 

Mit den Familien gemeinsam

Mit 19 kam Abdallah Hajjir aus seinem Heimatland Jordanien nach Moabit. Er ist ein Mann mit vielen Berufen, studierte an der TU Berlin und arbeitete viele Jahre als Bau-Ingenieur. Später ließ er sich zum Integrationslotsen/Mediator ausbilden und absolviert nun ein Master-Studium „Praxis in der sozialen Arbeit“. An Moabiter Schulen unterrichtet er vertretungsweise auch als Mathematiklehrer und an einer Hochschule „Arabisch als Fremdsprache“. Nicht zu vergessen: seine Arbeit als Imam, für die er zahlreiche Weiterbildungen besuchte. Zudem ist er Vater von fünf Kindern. 

Sehr ernst nimmt er die Aufgabe als religiöser Vorstand seiner Gemeinde „Haus der Weisheit“, in der Rathenower Straße 16 nimmt er sehr ernst – nach innen und außen. Er spricht den Familien Trost zu und freut sich, wenn geheiratet wird oder ein Kind zur Welt kommt. Er berät in Glaubens-, in rechtlichen und sozialen Fragen und ermuntert die Eltern, sich für die Bildung ihrer Kinder zu interessieren. Er gründete die „Arabische Schule“, damit Kinder aus arabischen Familien ihre Muttersprache auch schreiben lernen. „Das trägt zur Stärkung ihrer eigenen Identität bei und hilft ihnen, in Deutschland ihren Weg zu gehen“, meint Imam Hajjir.  

In seiner Gemeinde herrscht reges Leben, in der Moschee beten Menschen aus vielen Ländern. Freitags übt die Jugend-Gesangsgruppe Alguraba, die in ganz Berlin bei religiösen Festen auftritt. Und viermal pro Woche unterrichtet die Lehrerin Nasrah Khatib im Auftrag der Volkshochschule Eltern Deutsch, damit diese hier zurecht kommen. Gerade bepflanzten einige der etwa 600 Gläubigen den kleinen Garten hinterm Haus, wo man sich nach dem Gebet und am Wochenende trifft. 

Als Mitglied des Zentrums für interkulturellen Diaolg ist der engagierte Imam weit über Moa­bit hinaus bekannt. Dabei war er 2005 maßgeblich an der Entstehung der „Moabiter Erklärung“ beteiligt. In diesem Papier bekannten sich Gemeinden aller Religionen zu Toleranz und gegenseitigem Respekt. Die Gemeinde arbeitet eng mit dem Quartiersmanagement Moabit-Ost zusammen und ist in verschiedenen Gremien (z.B. Moabiter Kita-Netzwerk und auch im Quartiersrat) mit vertreten.

Abadallah Hajjir lädt interessierte Anwohner herzlich ein, seine Gemeinde zu besuchen und die von ihm vertretene tolerante Form des Islam kennen zu lernen. Er prägt mit seinem humorvollen Wesen unseren Stadteil mit, denn er schafft es, Familien, Lehrer, Nachbarn zusammen zu bringen. Deshalb ist er unser Kiezheld.

Bianka Spieß 

Infos: Darul-Hekma HadeWe e.V. www.haus-der-weisheit.de

 

 

Ein Herz für Moabit

Şenay Güzelgül ist ein Kind aus Moabit: hier geboren, fast immer hier gewohnt und stets im Kiez aktiv. Auch die erste Arbeitsstelle war in Moabit – im Krankenhaus, Station 21, der Station von Oberschwester Ingrid Thorius. Şenays Kinder sind gern hergezogen zur Verwandtschaft, auch wenn der Schulweg länger geworden ist. 

Es ist erstaunlich, was die alleinstehende  erreichte, und dass die gelernte Kinderpflegerin die Ausbildung als Erziehern neben dem Beruf noch mit 40 absolvierte. Erzieherin zu sein ist ihr Traumberuf und das sieht man selbst ihrem kleinen Wohnzimmer unterm Dach: die vielen Kinder- und Fachbücher fallen ins Auge. Dieses im positiven Sinne eigensinnige türkische Mädchen bekam nur eine Hauptschul-Empfehlung, obwohl sie dort völlig unterfordert war. Damals traute man Kindern von „Gastarbeitern“ kaum etwas zu. Nur eine unterschätzte sie nie, sondern forderte: Klara Franke. Jene Frau, die Nachbarn motivierte, sich für ihre Straße zu engagieren und deren Namen nicht umsonst ein Spielplatz an der Lehrter Straße trägt. „Von ihr habe ich sehr viel gelernt, sie war eine tolle Persönlichkeit und mein großes Vorbild“. 

Şenay wohnte über ihr und erledigte als Kind fast jeden Nachmittag ihre Schularbeiten auf Klaras Küchentisch. Şenay war immer mittenmang, als die Mieter in den 80er Jahren – allen voran Klara – gegen die geplante Autobahn durch Moabit und für mehr Verkehrss­icherheit in der Lehrter Straße protestierten.

Şenay will, dass es friedlich bleibt und diskutiert schon mal mit den Nachbarsjungen, wenn diese im Hausflur qualmen oder Müll hinwerfen. Da legt sie sich auch lautstark mit den Vätern an. Gegen Şenays Temperament kommt keiner so leicht an. Trotzdem ist sie beliebt. Wenn sie helfen kann, es in einer Familie Streit gibt, ist sie zur Stelle. Auch wenn ein Kind offensichtlich schwänzt, mischt sie sich ein. Sie hält Kontakt zum Betroffenen-Laden, der ist ja nebenan.

Es passt zu ihr, dass sie, „die Türkin mit deutschem Pass“, in einer Arbeitsgruppe von Kitas im QM-Gebiet ein neues Konzept der „Lernlandschaften“ mit entwickelte und sich auch im Quartiersrat engagiert. „Wenn ich etwas dafür tun kann, dass Jugendliche nach dem Schulabschluss noch die Ausbildung schaffen, dann ist mir das nicht zu viel,“ sagt sie. So stritt sie lebhaft beim Tag der offenen Tür für die Wünsche der Jugendlichen – mehr Bildung und demokratische Teilhabe von Kindern und Jugendlichen sind Herzensangelegenheiten von Şenay. Im Sommer kam sie jeden Sonntag samt Familie zum Projekt „ParkGeschmack“ und half, wo sie konnte. Dabei würde sie zuhause gern öfter zur Darbukka greifen, der türkischen Trommel.

Bianka Spieß

Ein Mann mit Charisma

Seine Persönlichkeit strahlt und ist sicher ein Grund dafür, dass er mit den Schülern so gut vorankommt. Als Rentner hilft er ihnen seit 2012 ehrenamtlich – an der Kurt-Tucholsky-Grundschule, Rathenower Straße und der Moabiter Grundschule, Paulstraße. Er übt mit den Kindern einzeln Rechtschreibung, Lesen oder Englisch. 

Oft spricht er mit ihnen über ganz normale Dinge, wie z.B. die Jahreszeiten und Monate, berichtigt Fehler, hört zu. „Nicht mit Gewalt, denn man muss ein Kind schützen und behüten“, ist seine feste Überzeugung. „Manche bekommen zu Hause kein Frühstück, bevor sie losgehen. Wie können sie da aufmerksam lernen? Andere sind verspielt und begreifen selbst in der 4. Klasse noch nicht den Ernst des Lernens“, erzählt er. Als Lern-Pate möchte Thomas Englert die Kinder motivieren und unterstützen, damit sie das Schuljahr schaffen und sich entwickeln, denn „Kein Talent soll verschüttet bleiben!“ 

Sein Ehrenamt begann er bereits vor 15 Jahren – nach Ausbildungen beim Roten Kreuz betreute er häuslich vernachlässigte Kleinkinder im Krankenhaus. Später kümmerte er sich bei der Diakonie um Demenzkranke und war auch Sterbebegleiter. Besonders ans Herz gewachsen ist ihm das Kinderhospiz Sonnenhof, wo todkranke Kinder gepflegt werden. Für seinen selbstlosen Einsatz erhielt er seit 1999 hohe Ehrungen vom Bundespräsidenten, vom Senat und dem Regierenden Bürgermeister. Und er will weiter machen – welch ein Glück für Moabit.

Gudrun Radev

Ein Laden für alle Fälle

Natürlich würde sich Michael Demel vom Zeitungsladen nie selbst solch einen Titel geben: Kiezheld. Aber verdient hätten er und seine Frau Barbara ihn allemal. Denn beide sind immer für die Leute da. Nicht nur ihr breites Sortiment an Zeitschriften, Zeitungen und kleinen Dingen in der Wilsnacker 61 richtet sich ganz nach den Wünschen der Stammkunden. Auch sonst sind sie eine wichtige Anlaufstelle für diesen Kiez. „Wir beraten hier Menschen in allen Lebenslagen“, versichern sie. „Wir kriegen ja viel mit und geben Infos weiter.“ 
Wer einmal die freundliche Bedienung erlebt hat, kommt immer wieder. Bereits früh um 5 erwartet Herr Demel die ersten Kunden – auf dem Weg zur Arbeit möchten sie die Tageszeitung lesen oder in einer Zeitschrift blättern. Am Fenster steht auch frischer ­Kaffee bereit – coffee to go, wie es neudeutsch heißt – ebenso wie die Süßigkeiten für zwischendurch – zu niedrigen Preisen. Wichtig ist für viele Nachbarn, dass sie hier gleich BVG-Karten und Lottoscheine bekommen.
Das sympathische Ehepaar Demel betreibt den Laden nun bereits 9 Jahre – mit viel Herzblut und Ausdauer. Mitarbeiterin Nora Theil fährt manchen Kunden die Zeitung sogar bis an die Haustür, hilft auch in der Nachbarschaft

Zum Advent wird das Schaufenster wieder festlich geschmückt. Mit Weihnachten verbindet Familie Demel Gemütlichkeit, Zusammensein und feierliche Stimmung im Privaten und Geschäftlichen. Dieser Zeitungsladen ist aus dem Kiez einfach nicht wegzudenken!

 Gudrun Radev

Die durchs Leben trällert

Musik als Kraftquell

Den Namen Manuela Czyborra haben Sie sicher schon öfter in dieser Zeitung gelesen. Die Lehrerin für Musik, Lebenskunde und Soziales Lernen der Kurt-Tucholsky-Grundschule konnte in den letzten Jahren vieles bewegen. Die Kollegen standen immer hinter unserer Kiezheldin, auch als sie sich in den Kopf gesetzt hatte, „wir werden die 1. Musikalische Grundschule“ in Mitte. 

Dank des gleichnamigen Quartiersprojektes gelang dieses Vorhaben auf Anhieb. In der Schule wird stets und überall gesungen, getrommelt, musiziert, komponiert und getanzt. Inzwischen unterrichten 7 Kollegen Musik, mehr als üblich. Und es gibt drei Musik-Arbeitsgemeinschaften: die Ukulele-AG, die Instrumenten-AG und einen Chor. „Musik macht etwas mit den Kindern, sie lernen einfach besser“, betont die Mittfünfzigerin. Musik ist ihr Leben, sie singt in ihrer Freizeit in einem Chor und in einer Band mit. 

Damit nicht genug: sie ist auch ehrenamtliches Mitglied des Quartiersrates Moabit-Ost. „So gelingt es uns besser, die Schule mit dem Kiez zu vernetzen und Dinge anzuregen, von denen die Kinder Moabits profitieren: So den tollen Schulhof, die Instrumente draußen und im Schulhaus, die Pausenspiele. Bald werden wir unseren ‚Tu-was-Raum’ eröffnen, wo die Kinder selbst experimentieren können.“ Sie ist froh über die Akteure vom Projekt „Übergänge“, die den Kontakt mit den Eltern stark verbessert haben.

Manuela Czyborra ist keine Lehrerin, die nur das Nötigste tut. Vieles, was sie angeschoben hat, geht nur nach Feierabend, denn an erster Stelle ist sie nun mal Lehrerin. Immer wieder akquiriert sie Projekte für „ihre“ Kinder. Vor kurzem waren über 100 Kitakinder zu Gast. „Die Organisation eines solchen Vormittages war zwar zeitraubend, aber  so bekommen die Kleinen Lust auf ihre spätere Schule“, meint sie lachend. 

Jetzt freut sich unsere Kiezheldin auf schöne Herbstferien und das St.-Martins-Fest am 11.11. auf ihrem Schulhof. „Selbstverständlich werden wir ordentlich etwas auf die Beine stellen“, meint M. Czyborra. Das passt zu ihr. 

Bianka Spieß

„Diese Chance haben sie verdient“ 

Davon ist Peter Cornelius überzeugt. Sein Wunsch: Alle Jugendlichen sollen einen Beruf lernen. Er selbst genießt den Ruhestand und lebt seit Mai 2011 in Moabit. Als er im letzten Jahr bei einer Präsentation des Projektes „Kopfsprung“ hörte, wie positiv Schüler/innen über ihre Praktika in Betrieben berichteten, kam ihm eine Idee. Er, der sein ganzes Leben erfolgreicher Informatiker war, möchte helfen, dass die Schüler einen Praktikumsplatz finden, der ihnen Einblicke ins Berufsleben möglich macht. 

In seiner Freizeit trifft man ihn nun zweimal pro Woche in der Ersten Gemeinschaftsschule. In der Klasse 9.1 unter­stützt er seit letztem Schuljahr die engagierte junge Lehrerin Claudia Armbruster im Fach „Duales Lernen*“ – gemeinsam mit Jörg Not­hacker (Projekt Kopfsprung) und Andreas Bolz (CJD). Nicht genug: Herr Cornelius richtet für die Klasse ein neues Computer-Kabinett ein und verbindet die Rechner mit dem Netzwerk der Schule. Dann brauchen die Schüler nicht mehr in den anderen Gebäudeteil wechseln und können öfter am Computer lernen. 

Einige der Schüler/-innen haben Lernschwierigkeiten. Deshalb fällt es ihnen schwer, Bewerbungen zu schreiben und für sich selbst ein Praktikum zu suchen. Doch Peter Cornelius will, dass sie trotzdem den ersten Schritt ins Berufsleben wagen. Mit den Schülern bespricht er einzeln, welche Berufe infrage kommen und hilft bei der Suche nach einem passenden Praktikum. 

Jeder weiß – es braucht viel Mühe bis eine Bewerbungsmappe vollständig ist. Lebenslauf, Anschreiben Foto, Zeugnisse – alles muss geschrieben oder besorgt werden. Ohne Herrn Cornelius wären manche Mappen nicht vollständig. Es gelingt ihm, die Schüler zu motivieren, dran zu bleiben. Weil das Papier in der Schule nicht immer hochwertig ist, druckt er die Bewerbungen auch mal zu Hause aus.

Manche Schüler/-innen werden von Jörg Nothacker und Peter Cornelius bei ihrem Bewerbungsgespräch begleitet. Natürlich wurde vorher geübt, wie man seine Fähigkeiten gut präsentiert. Klappt es mit einem Praktikumsplatz, ist die Betreuung nicht vorbei. Sie besuchen Schüler/-innen an ihrem Arbeitsplatz und sprechen mit den Ausbildern. Im besten Fall dürfen Schüler nun einen Tag pro Woche dort arbeiten und sich gezielt auf die Ausbildung vorbereiten. 

Der Kiezheld Peter Cornelius will den Schülern treu bleiben – bis zum Abschluss des Lehrvertrages. Dass nicht alle Schüler/-innen beste Noten haben, soll nicht heißen, sie hätten keine Chance. Diesen Beweis möchte Peter Cornelius antreten!

Bianka Spieß

* Im Fach Duales Lernen und Arbeitslehre – Berufsorientierung sollen sich die Schüler gezielt auf den Beruf vorbereiten. 

Die gute Seele aus der Pritzwalker Straße

„Mir macht alles Freude“, strahlt Frau Thorius, und man glaubt ihr sofort. Sie ist die gute Seele des Wohnhauses Pritzwalker 1. Es gibt wohl kaum jemanden, der sie nicht kennt. Vor allem die Kinder klingeln gern bei ihr, spielen mit ihr Karten oder lernen das 1x1 mit lustigen Regeln. Einige lud Ingrid Thorius im Herbst zu „Frau Holle“ in den Wintergarten ein oder ins Schlosspark-Theater. Da ist sie sehr großzügig, denn sie mag die Kinder.

Überhaupt hat sie ein großes Herz für die Nachbarschaft. Als das Quartiersmanagement im Frühjahr 2011 einen Ort suchte, wo Kinder für ein Projekt malen konnten, bot sie ihr Wohnzimmer an. Die Ausstellung „Mein Hausflur – ein Museum“ hing dann in ihrer Etage – und viele kamen, um die farbenfrohen Zeichnungen zu sehen. Sie ermunterte auch ihre Nachbarn, gemeinsam die Pritzwalker vom Müll zu befreien und Beete und Balkonkästen zu bepflanzen. Sie liebt aber auch die Hof- und Straßenfeste. Da bringt sie alles mit, was die Küche hergibt. 

„In das Quartiersmanagement bin ich so ’rein gewachsen“, erklärt sie lachend. Für ihre gemeinnützige Arbeit erhielt sie bereits mehrfach Auszeichnungen: z.B. die goldene Karte fürs Ehrenamt vom Berliner Senat.

Eigentlich ist die gelernte Krankenschwester bereits seit 20 Jahren Rentnerin – nach jahrelangem Einsatz auf der Unfall-Station im ehemaligen Krankenhaus Moabit. Aber ausruhen mag sie sich nicht. 

Bereits ihre Mutter, Klara Franke (1911-1995), war beliebt und geachtet, in der Lehrter Straße. Wir begegnen Frau Thorius bestimmt am 10. März, wenn in der Kulturfabrik ab 15 Uhr der Klara-Franke-Tag gefeiert wird. Ansonsten natürlich überall im Kiez, wo sich Nachbarn treffen…

Gudrun Radev

Unermüdlich unterwegs

Es wurde Zeit, an dieser Stelle Susanne Torka vorzustellen – schließlich ist sie seit Jahren für Moabit aktiv und nicht nur in der Lehrter Straße bekannt. Die studierte Landschaftsgärtnerin taucht überall dort auf, wo es um Moabit geht. Sei es als Moderatorin der VHS-Geschichtswerkstatt Tiergarten und beim Stadtteilplenum, bei der Initiative „Wem gehört Moa­bit?“, als Vorleserin bei der Langen Nacht des Buches, am Stand ihres Vereins beim PerlenKiezfest oder auf dem Stephanplatz. Diese Liste ließe sich ohne Mühe noch ergänzen. Fakt ist – diese zierliche Frau hat irgendwo einen Motor, der sie fortwährend antreibt und sie hat eine geheime Festplatte: denn sie weiß so ziemlich alles über Moabit.

Bei Führungen durch den Kiez hat sie so viele Fakten und Episoden parat, dass einem schwindelt. All das trägt sie mit ihren Mitstreitern auf dem Portal „MoabitOnline“ zusammen. Diese Internetseite ist sicher eine der besten, die es über einen Stadtteil gibt – als Kennerin der Materie möchte ich sagen – bundesweit. Tagtäglich werden hier Reportagen veröffentlicht, Beiträge kommentiert und Fotos eingestellt. Weil Susanne Torka das Netzwerken im Blut liegt, aktualisiert sie mit einer unermüdlichen Zuverlässigkeit den Veranstaltungskalender für Moabit. Ein Blick auf www.moabitonline.de genügt und man weiß, was im Kiez los ist. 
Unsere Kiezheldin, dreifache Mutter, hätte mit der ehrenamtlichen Pflege der Website eigentlich genug zu tun. Aber da ist noch der B-Laden in der Lehrter Straße 27. Dort hält sie das Büro am Laufen und organisiert seit fast 20 Jahren die Sitzungen der Betroffenenvertretung – Monat für Monat. Ehrenamtlich! Susanne Torka kennt jedes Detail über städtebauliche Planungen entlang der Lehrter Straße. Wen sie zu Beratungen des B-Ladens einlädt, muss gewappnet sein, denn sie will jedes Detail wissen, das die Bürger im Kiez betreffen könnte. 

Susanne Torka kümmert sich um die Menschen, die bei ihr Rat und Hilfe suchen. Der B-Laden ist schon lange ein Infopunkt und der Kummerkasten für den Kiez geworden. Hier wird mal eine Bleibe vermittelt, dort geholfen, ein Formular auszufüllen oder eine Einrichtung zur weiteren Unterstützung empfohlen. Zwischendurch hegt Susanne Torka die kleine Grünfläche an der Ecke Kruppstraße, bäckt Kuchen, damit vom Erlös die Miete für den Laden bezahlt werden kann, kümmert sich um Fußgängerüberwege, Verkehrsberuhigung, Spielplätze … Dass die Lehrter Straße ganz langsam wieder zu einer Wohnstraße für Mieter wird, ist auch der Kiezheldin zu verdanken. 

Sagen Sie, liebe Leser/-innen, danke dafür und stecken Sie ein paar Cent in die Spendendose des B-Ladens. Der Verein Lehrter Straße (lehrter-strasse-berlin.net) kann das gut gebrauchen. 

Bianka Spieß

Ein Lübecker auf der Lübecker

Ohne Ludwig, den reinrassigen Basset Hound, wäre der gebürtige Lübecker Lasse Walter wohl nie auf den Hund gekommen. Ludwig ist Herr im Hause und schmückt sogar Lasse Walters Buch „Hundeshauptstadt Berlin“, das in seinem „Smiling Berlin Verlag“ erschien. 

Nachbarn und Hunde
Und ohne Ludwig wäre die Arbeitsgruppe „Mensch und Hund“ des Quartiersmanagement nur halb so aktiv. Sie befüllt seit 2 Jahren die Beutelspender im Kiez. Lasse Walter gehört dazu und organisierte im Sommer beim PerlenKiezfest den Hunde-Stand. Dort kamen Anwohner mit Hundebesitzern ins Gespräch über Ängste und den Ärger mit dem Hundekot. Es wurde auch der „schönste Hund von Moabit“ ausgezeichnet. Lasse Walter setzt sich für die Gründung eines Hundegartens in Moabit-Ost ein: einer kleinen Grünfläche im Kiez, wo sich die Vierbeiner austoben können und ein Dialog möglich ist.

Willkommen in Moabit
Lasse Walter fühlt sich wohl in seinem Kiez und wünscht das auch für alle Nachbarn. Deshalb stellte er das Quartiers­projekt „Willkommen in Moabit“ auf die Beine. Neu-Moabitern wird  ein Korb mit Geschenken, Information und der aktuellen Quartierszeitung überreicht. Er zeigt den Neuankömmlingen bei Spaziergängen die schönsten Ecken im Stadtteil – Ludwig immer im Schlepptau. Im Moment schreibt er deren Geschichten auf und will demnächst eine Broschüre herausgeben „Zuhause ist, wo dein Herz ist“ – ein Motto, das man sich glatt an die Wand schreiben könnte. Dass Lasse Walters Herz für Berlin schlägt, sieht man auch in den regelmäßigen Fotoausstellungen, die er gleich nebenan im Salon Kaiserschnitt oder auch in der Arminiushalle präsentiert.

350 Bäume gespendet
Lasse Walter liebt das Grüne. Er kümmert sich nicht nur um die zahlreichen Blumentöpfe in seiner Wohnung, sondern auch um das Grün auf der Straße. Selbstverständlich wird er einen der Pflanzkübel pflegen, die im Frühjahr entlang der Lübecker aufgestellt werden. Lasse Walter spendiert Berlin sogar einen ganzen Wald, denn für jedes verkaufte Buch pflanzt er einen Baum. 

Lesen für Kinder
Zu seinem Verlagsprogramm gehören auch Kinderbücher, aus denen regelmäßig in Moabiter Kitas vorgelesen wird, wie zuletzt bei der Lesewoche. Die Kinder lachen über die Abenteuer von „Fridolin, dem Schneemann“ und „Älgi, dem Stoff-Elch“. Außerdem erkärt er Kindern in der Schule, wie sie sich Hunden nähern sollen. Bei Ludwig kann man sich das ja trauen. 

Bianka Spieß

Vier grüne Daumen

„Im Lesehof sehen Sie Purpur-Schönfrucht und hier wächst Thymian – für einen schmackhaften Tee. Dort wuchert Chelidonium majus – das hilft gegen Warzen.“ Der Mann, der so selbstverständlich mit lateinischen Namen jongliert, ist nicht etwa Botaniker, sondern Maschinenbau-Techniker. Uwe Wolf und seine Frau Leni haben sich ihr gärtnerisches Geschick in der Freizeit erarbeitet. 

Beide sind Rentner aus der Birkenstraße und Mitglieder im Förderverein der Bruno-Lösche Bibliothek. Als sie 2005 ihren Kleingarten aufgeben mussten, retteten sie noch einige Ableger und setzten diese kurzerhand in den Lesehof der Bibliothek. Damit legten sie den Grundstein für die heutige Oase in und um die Bibliothek herum. Mit einer Anschubfinanzierung von 300 Euro schafften sie Werkzeuge für den Garten und etwas Erde an. Alles, was nun blüht, stammt aus eigener Zucht und aus Spenden, z.B. vom Blumenhändler am U-Bhf. Birkenstraße. Im Sommer sind die Eheleute 3 Mal pro Woche vor Ort – ehrenamtlich. Sie gießen, jäten, hacken auf einer Fläche von fast 600 m2. Immer nach Plan, denn die Gärten sollen das ganze Jahr über blühen und auch der Architektur folgen. Inzwischen wachsen mindestens 20 Sorten Rosen in den Innenhöfen. Leser und Mitarbei­ter sind glücklich, dass es hier so grünt, blüht und herrlich duftet. Welche Bib­lio­thek hat schon einen Garten als Lesehof?

Traurig stimmt das Ehepaar, wenn Leute auf dem Weg zum Bus ihre Abfälle achtlos in die Hecken werfen. „Schlimm für die Bäume ist der Hunde-Urin“, Uwe Wolf zeigt auf die unnatürlich weißen Ränder an der Baumrinde. „Die Stämme an der Haltestelle müssen wir regelmäßig abwaschen.“ Und wenn jeder den Baum vor seinem Haus gießen würde, könnten mehr Straßenbäume überleben. 

Liebe Leser/-innen greifen auch Sie zum Eimer Wasser, werden Sie aktiv! Wer Rat braucht, kann sich an das Projekt „Grüner Kiez“ wenden.

Bianka Spieß

Die Stadt als Labor

Eigentlich könnten Simone Zaugg und der Künstler Pfelder sich ausschließlich damit beschäftigen, ihre kreativen Ideen in Kunst umzusetzen. Zu tun hätten sie genug, denn ihre Objekte im Stadtraum sind anderswo sehr begehrt. 
Doch das wäre den beiden Moabitern zu wenig. Vor sechs Jahren eröffneten sie den Projektraum Kurt-Kurt in der Lübecker Straße 13 – auf eigene Kosten. So ist es bis heute, wenn man von kleinen Zuschüssen aus dem einen oder anderen Fonds absieht. Die Lübecker war 2006 nun wahrlich keine einladende Straße. Doch der leer stehende Gewerberaum im Geburtshaus von Kurt Tucholsky schien gut geeignet, die Menschen ins Gespräch zu bringen. Seit der Eröffnung geben die Schweizerin und der gebürtige Hamburger Künstlern die Chance, kostenlos ihre Werke auszustellen. Einzige Bedingung: alles muss einen Bezug zu Moabit haben. Weil das Paar den Projektraum ehrenamtlich betreibt, sind die Öffnungszeiten eingeschränkt – im Gegensatz zu einer Galerie, die die ausgestellten Kunst­objekte ja verkaufen will. 
Die gegenwärtige Ausstellung „Faites vos Jeux“ (Macht Euer Spiel!) nimmt die überall in Moabit ansässigen Spielcasinos „auf die Schippe“. Deshalb wurde kurzerhand der Laden in „Tomatencasino“ umbenannt. Pfelder selbst hat die 22 Casinos im Umkreis von 500 m fotografiert und die Ladenschilder durch Namen renommierter Galerien ersetzt. Er stellt damit die Frage „Was wäre, wenn es statt Casinos 22 Galerien gäbe?“ Gentrifzierung? Die Antworten darf der Besucher in den spielerischen Ausstellungsstücken selbst finden. Info: www.kurt-kurt.de

Bianka Spieß

Peter Cornelius: „Diese Chance haben sie verdient“

Davon ist Peter Cornelius überzeugt. Sein Wunsch: Alle Jugendlichen sollen einen Beruf lernen. Er selbst genießt den Ruhestand und lebt seit Mai 2011 in Moabit. Als er im letzten Jahr bei einer Präsentation des Projektes „Kopfsprung“ hörte, wie positiv Schüler/innen über ihre Praktika in Betrieben berichteten, kam ihm eine Idee. Er, der sein ganzes Leben erfolgreicher Informatiker war, möchte helfen, dass die Schüler einen Praktikumsplatz finden, der ihnen Einblicke ins Berufsleben möglich macht. 

In seiner Freizeit trifft man ihn nun zweimal pro Woche in der Ersten Gemeinschaftsschule. In der Klasse 9.1 unter­stützt er seit letztem Schuljahr die engagierte junge Lehrerin Claudia Armbruster im Fach „Duales Lernen*“ – gemeinsam mit Jörg Not­hacker (Projekt Kopfsprung) und Andreas Bolz (CJD). Nicht genug: Herr Cornelius richtet für die Klasse ein neues Computer-Kabinett ein und verbindet die Rechner mit dem Netzwerk der Schule. Dann brauchen die Schüler nicht mehr in den anderen Gebäudeteil wechseln und können öfter am Computer lernen. 

Einige der Schüler/-innen haben Lernschwierigkeiten. Deshalb fällt es ihnen schwer, Bewerbungen zu schreiben und für sich selbst ein Praktikum zu suchen. Doch Peter Cornelius will, dass sie trotzdem den ersten Schritt ins Berufsleben wagen. Mit den Schülern bespricht er einzeln, welche Berufe infrage kommen und hilft bei der Suche nach einem passenden Praktikum. 

Jeder weiß – es braucht viel Mühe bis eine Bewerbungsmappe vollständig ist. Lebenslauf, Anschreiben Foto, Zeugnisse – alles muss geschrieben oder besorgt werden. Ohne Herrn Cornelius wären manche Mappen nicht vollständig. Es gelingt ihm, die Schüler zu motivieren, dran zu bleiben. Weil das Papier in der Schule nicht immer hochwertig ist, druckt er die Bewerbungen auch mal zu Hause aus.

Manche Schüler/-innen werden von Jörg Nothacker und Peter Cornelius bei ihrem Bewerbungsgespräch begleitet. Natürlich wurde vorher geübt, wie man seine Fähigkeiten gut präsentiert. Klappt es mit einem Praktikumsplatz, ist die Betreuung nicht vorbei. Sie besuchen Schüler/-innen an ihrem Arbeitsplatz und sprechen mit den Ausbildern. Im besten Fall dürfen Schüler nun einen Tag pro Woche dort arbeiten und sich gezielt auf die Ausbildung vorbereiten. 

Der Kiezheld Peter Cornelius will den Schülern treu bleiben – bis zum Abschluss des Lehrvertrages. Dass nicht alle Schüler/-innen beste Noten haben, soll nicht heißen, sie hätten keine Chance. Diesen Beweis möchte Peter Cornelius antreten!

Bianka Spieß

* Im Fach Duales Lernen und Arbeitslehre – Berufsorientierung sollen sich die Schüler gezielt auf den Beruf vorbereiten.