Feuerwehrmann - der beste Beruf der Welt
Zu Besuch bei Joshua Hoffmann und Ole Köhler, den Kiezbeauftragten der Feuerwache Wedding
von Gerald Backhaus
Ihre 12-Stunden-Nachtschicht haben die beiden Männer gerade hinter sich gebracht. Das Interview findet an einem Montag um 9 Uhr in der Feuerwache Wedding statt. „Unser Hauptgebiet ist Gesundbrunnen und reicht rüber bis nach Moabit.“ Über der Tür leuchtet eine Lampe auf. Das ist das Alarmlicht, klärt Ole Köhler auf, „ein Fahrzeug von der Wache wird alarmiert.“ Fünf Mal leuchtet es während einer Stunde Interview. Als wir später in die Halle hinunter gehen, herrscht gähnende Leere, denn alle Einsatzwagen sind ausgerückt. Joshua Hoffmann ergänzt: „Früher hieß Alarmlicht grundsätzlich erst mal runter laufen und gucken. Manche Feuerwehren haben einen Gong, da wird durchgesagt, welche Fahrzeuge ausrücken. Wir hier haben kleine Pager (Melder). Wenn Dein Rettungswagen fährt, dann gibt es einen Pieper vom Verantwortlichen, und dann geht man runter.“ Es sind immer zwei Mann auf einem Rettungswagen, kurz RTW, eingeteilt, und auf den Löschfahrzeugen sind es sechs Leute. Ole musste in der Nachtschicht zehn Mal ausrücken, Joshua acht Mal.
Wozu Kiezbeauftragte?
Nach den Übergriffen auf Rettungskräfte in der Silvesternacht 2022/23 beschloss die Berliner Feuerwehr, „Kiezbeauftragte“ einzuführen. Dieses Projekt neben Neukölln und Schöneberg an der Feuerwache Wedding anzusiedeln, lag am nahe gelegenen Soldiner Kiez, wo es zu Silvester gefährlich war. Ole und Joshua übernahmen das Projekt. Sie gehen auf die Leute zu und wirken deeskalierend? „Nein. Es geht es darum, Netzwerke zu knüpfen, z.B. mit den Quartiersmanagements in den einzelnen Stadtteilen.“ Beim Senat wurde Geld locker gemacht, und die Ausschreibung gewann Outreach, ein Träger der Jugendarbeit. „Zusammen mit denen gab es hier schon mal ein Sportfest. 2023 hatten wir mit Outreach zusammen auch Workshops mit rund 20 Jugendlichen organisiert.“
"Die Jugendlichen haben alle einhellig gesagt, dass sie Respekt vor uns haben und dass sie das krass finden, dass wir das einfach so machen."
Da simulierten Joshua und Ole einen Einsatz, bei dem man die eigenen Kollegen retten muss: „volles Programm“ mit Beatmungsgerät und Brandgeräuschen in einem dunklen Raum. „Danach haben wir die Uniform ausgezogen und unsere Masken abgenommen, um zu zeigen, dass hinter diesen komischen Masken Menschen stecken, so die bereit sind, mit einem zu reden.“ Danach wurden die Vorfälle der Silvesternacht mit den Jugendlichen besprochen: wie es kommen kann, dass so etwas passiert und was sie für Vorschläge haben, was man dagegen machen kann. Dass es überhaupt zu Angriffen auf Einsatzkräfte kommt, hängt mit einer Gruppendynamik zusammen. Sie hängen zusammen rum, und dann eskaliert eine Situation ganz schnell hoch.
"Wir helfen den Leuten, denen geholfen werden muss, unabhängig von Herkunft, Funktion und sonstigem. Es geht bei uns darum, wer Hilfe braucht und nicht, wie der aussieht oder was er sonst so macht."
Spricht man mit den beiden Feuerwehrmännern, bekommt man den Eindruck, dass es weniger um Brände geht, sondern viel mehr um Einsätze bei Unfall und Krankheit. Ja, Brände zu löschen nur ein Teil ihrer Arbeit. Um die 80 Prozent der Einsätze sind Rettungseinsätze. Letzte Nacht zum Beispiel hatte sich ein Mann mit einem scharfen Küchenmesser beim Abtrennen eines Avocadokerns die Hand geschnitten. „Das musste genäht werden“, erzählt Ole. „An einem ruhigen Tag haben wir in Berlin rund 1.100 Einsätze.“ Wie viele davon sind Fehlalarm? „Fehlalarm ist eigentlich nur dann, wenn uns jemand sagt, es brennt und dann brennt es nicht. Aber bei den Rettungseinsätzen kann man das nicht sagen. Für diejenigen, die die 112 anrufen, ist es ja erstmal ein Notfall. Auch wenn sich später herausstellt, dass man auch mit dem Taxi zum Krankenhaus hätte fahren können.“. Verärgerte Leute erleben die beiden Feuerwehrmänner im Alltag nicht selten. Genervte Zugeparkte zum Beispiel, die nicht wissen, dass ein Rettungswagen auch von den Seiten Türen und Fächer hat, die geöffnet werden müssen, ohne ein anderes Auto zu beschädigen. Und dass es bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall um Minuten geht. Auch kulturelle Unterschiede bemerken sie. „Wenn es wirklich ernst ist, kann ich mir nicht die Schuhe vor der Tür ausziehen.
Ole und Joshua und zwei Wege, wie man bei der Feuerwehr einsteigen kann
Bei der Berliner Feuerwehr arbeiten über 5.000 Menschen, rund 4.000 davon im direkten Einsatz. Ole Köhler ist auf Husum aufgewachsen und hat nach dem Abitur Tischler gelernt. Mit 35 kam er zur Feuerwehr. Nach der 18 Monate dauernden Ausbildung zum Brandmeister an der Feuerwehrakademie BFRA wurde der Beamte 2020 zunächst ein halbes Jahr lang in der Leitstelle in Charlottenburg eingesetzt. „Da hast Du zwischen 120 und 160 Anrufe innerhalb von acht Stunden. Rund 40 davon lösen einen Einsatz aus, zehn davon einen dramatischen. Bei einem von zehn Einsätzen besteht eine lebensbedrohliche Situation.“ Joshua Hoffmann stammt aus Greifswald hat parallel zum Abitur den Rettungssanitäter-Schein gemacht und danach die dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter absolviert. Ein Ausbildungsberuf ist Voraussetzung, um bei der Feuerwehr einzusteigen. Außerdem muss man einen deutschen Pass oder einen aus dem EU-Ausland besitzen, einen mittleren Schulabschluss (MSA) haben, unter 35 Jahre alt und körperlich fit sein sowie einen Führerschein und das Schwimmabzeichen haben.
15 kg Ausrüstung am Mann
Sportskanonen sind gefragt, denn ein Mal im Jahr wird die Grundfitness getestet, und alle drei Jahre die Diensttauglichkeit überprüft. Ein paar Klimmzüge sollte man also unbedingt schaffen. Immerhin muss jeder im Einsatz schon mal 15 kg Ausrüstung am Körper mitschleppen. Hinzu kommen Schläuche, Äxte und natürlich Patienten, die getragen werden müssen. Bei Brandlöschungen muss man unter Atemschutzmaske arbeiten können. „Alleine mit dem letzten Nachtdienst setz ich meine Gesundheit aufs Spiel“, so Ole, denn er konnte kaum mal ein halbes Stündchen zwischen den zehn Einsätzen schlafen. „Im Idealfall liegt man auf der Couch. Meistens sitzt man aber nur, und dann fällt der Kopf nach hinten und man ist mal kurz im Halbschlaf, und schon geht’s wieder raus.“ Wer die Diensttauglichkeit nicht mehr schafft, wird in den rückwärtigen Bereichen eingesetzt. Und im Alter von 60 Jahren geht’s dann in die Pension. Acht Wege gibt es, um Feuerwehrmann oder -frau zu werden. Details dazu: https://www.berliner-feuerwehr.de/karriere/
Feuerwehr zum Anfassen: Kiezbeauftragte vor Ort
Zwei Workshops mit Jugendlichen sind dieses Jahr zusammen mit dem Träger Outreach geplant. Das Quartiersmanagement Parkstraße hat sich gemeldet und möchte eine Platzaktion organisieren. Joshua und Ole freuen sich über alle, mit dem sie zusammenarbeiten können. Auch für die Teilnahme an Spielstraßen-Aktionen kamen schon einige Anfragen. „Man steht da einfach mal da und kann mit den Leuten quatschen. Jeder darf unsere Ausrüstung sehen und anfassen“, sagt Joshua. Das sei der Hauptpunkt der ganzen Geschichte: „Bei Einsätzen macht die Feuerwehr ihre Arbeit und ist schnell wieder weg. Man kommt nicht mit den Leuten ins Gespräch, wenn es um Leben und Tod geht und man sich vorbei drängeln muss. Die persönliche Komponente ist der wichtigste Punkt, den wir in Berlin aufgrund von dem hohen Einsatzaufkommen etwas aus den Augen verloren hatten.“ Um das zu ändern, dazu sind die beiden Kiezbeauftragten zusammen mit weiteren Freiwilligen außerhalb ihrer Schichten im Einsatz.
Kontakt zu den Kiezbeauftragten der Feuerwache Wedding: Brandmeister Ole Köhler und Brandmeister Joshua Hoffmann Reinickendorfer Straße 15A, 10179 Berlin, +49 30 387 40 5509, E-Mail: joshua.hoffmann@berliner-feuerwehr.de, ole.koehler@berliner-feuerwehr.de, www.berliner-feuerwehr.de
Text & Fotos: © Gerald Backhaus 2024