Ein Tausendsassa: ob Gärtnern, Nachbarschaftsaktionen, Festival oder Filmklub - Jonathan Jehle studiert Soziale Arbeit und engagiert sich in der Gemeinwesenarbeit

von Gerald Backhaus

Wir nutzen eine Regenpause an einem Tag Ende Oktober, damit mir Jonathan den nassen Moabeet-Garten in der Lehrer Straße zeigen kann. Weiter geht unser Gespräch bei Kaffee und Cola im nahegelegenen Café Moab von Martin Pohlmann. Die sommerliche Gartenpracht neben den Bahngleisen und vor den neugebauten Hochhäusern kann man sich auch an einem trüben Herbsttag gut vorstellen. Jonathan teilt sich den Gemeinschaftsgarten mit rund 30 Vereinsmitgliedern des Moabeet e.V. Es herrscht immer eine gewisse Fluktuation, berichtet er. Unter den 30 Mitgliedern sind etwa 10 richtig aktive Leute - darunter Alt und Jung und eher Familien als Einzelpersonen. 

Jonathan ist mit seinen 35 Jahren hier einer der Jüngsten.

Apropos jung: sieht man von den Kindern ab, ist Jonathan, Jahrgang 1989, mit seinen 35 Jahren hier einer der Jüngsten. Die meisten Menschen, die hier gärtnern, sind zwischen 40 und 60 Jahren alt. Auch was den beruflichen Hintergrund angeht, herrscht eine gute Mischung vor, findet Jonathan, der aus dem Allgäu stammt und 2017 nach Berlin zog. 

Keine eigenen Beete, alles wird gemeinsam bewirtschaftet

Wo jetzt Rosen blühen, Tomaten gezogen werden und Brombeeren wachsen, hatte früher einmal eine Spedition ihren Sitz. Zum Gemeinschaftsgarten kam es vor neun Jahren auf Wunsch von Anwohnern, als 2016 nebenan der Spielplatz renoviert wurde. Die Regeln bei Moabeet: alles wird gemeinsam bewirtschaftet, und es gibt keine eigenen Beete. In welchem Bereich man sich am meisten verwirklichen möchte, ist ganz den eigenen Vorlieben überlassen: Neben den Stauden-Fans bringen sich hier z.B. Freunde von Kompost und Rosen sowie von Obst und Gemüse ein. 

Johannisbeeren, Kirschen und Äpfeln werden gemeinsam verarbeitet

Manche kommen gezielt zum Ernten von Johannisbeeren, Kirschen und Äpfeln und verarbeiten die Früchte zusammen. Andere wiederum kümmern sich eher um den Erhalt des Gartenmobiliars. Dazu zählen nicht nur Stühle und Tische, sondern auch der Pizzaofen, der Geräteschuppen und das Gewächshaus. Neben dem gemeinschaftlichen Gärtnern in der Großstadt stehen bei Moabeet soziale Aspekte im Mittelpunkt: hier wird auch zusammen gefeiert, hier wird Pizza und Brot gebacken und gegrillt.

“Garten als Treffpunkt” - mit Brot backen, Grillen und mehr

Mit Hilfe von Fördermitteln vom Quartiersmanagement Moabit-Ost wurden im Jahr 2025 verschiedene Maßnahmen zur Bodenverbesserungen auf dem Gartenareal durchgeführt. Parallel dazu wurde unter dem Motto „Garten als Treffpunkt“ das nachbarschaftliche Miteinander im Grünen gestärkt. Neben der Infrastruktur konnte mit der finanziellen Unterstützung zum Beispiel ein herbstliches Gartenfest organisiert werden, bei dem es Schmandbrote und Kürbissuppe gab. „Moazin“ legte eine Redaktionssitzung in den Moabeet-Garten, der Sportverein Roter Traktor veranstaltetet sein Sommerfest hier, eine Brotbackgruppe knetet und bäckt regelmäßig ihre Brote aus Sauerteig, und auch die Küchengruppe des nahe gelegenen B-Ladens traf sich schon zum Pizzabacken hier.

Von Bodenverbesserungen, Würmern, effektiven Mikroorganismen und Terrapreta-Erde

Was den Gartenboden angeht, erwähnt Jonathan vor allem die Wurmfarm, bei der aus den Ausscheidungen der Regenwürmer ein „Wurmtee“ entsteht, der dann als natürlicher Dünger dient. Das Häckseln von Grünschnitt wurde ermöglicht durch den Kauf entsprechender Werkzeuge, und das Kompostieren wird erleichtert durch den Einsatz von effektiven Mikroorganismen (EMs). Das sind gezielt eingesetzte Bakterienkulturen. Bei dem Gärsystem Bokashi fermentieren Grünschnitt und Gemüseabfälle zu einem Sud, der auch als Dünger eingesetzt wird. „Wir arbeiten hier auch nach Prinzipien der Permakultur und stellen selber Mulchkompost und Terrapreta-Erde her“, so Jonathan. „Durch die Bodenverbesserung bekommen unsere Pflanzen viel bessere Startbedingungen.“

Student und Künstler Jonathan Jehle und sein Dokumentarfilm über Handpans

Jonathan wohnt im Stephankiez und fühlt sich in Berlin mittlerweile sehr verwurzelt. Neben seiner Arbeit im Moabeet e.V. hat er auch schon den Innenhof seines Wohnhauses zur „grünen Oase“ umgestaltet und hilft in anderen Gärten bei der Ernte und dem Obstbaumschnitt. Seit 2024 studiert er Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB). Bevor er dort Student wurde, war er als freischaffender Filmregisseur tätig und schuf Videokunst-Installationen. Sein Dokumentarfilm „Handpans - The Magic Sound“ von 2018 dreht sich um dieses Musikinstrument, das wie eine Mischung aus Ufo und Wok aussieht. Vom Filmgeschäft kam Jonathan zum Veranstaltungsmanagement. 

Das partizipative Festival “Windwiesentanz”

Seit 2020 organisiert er mit seinem Verein Waldblöße e.V. - einem „Kollektiv für sozial-ökologisches Engagement & kulturellen Unfug“ - ehrenamtich das partizipative Festival „Windwiesentanz“. Dabei kommen bis zu 250 Leute zusammen und können sich künstlerisch ausprobieren. Es gibt Theater, Musik und Ausstellungen, und alle kochen gemeinsam. Zuletzt fand dieses Festival an der Müritz in Mecklenburg statt, erzählt Jonathan. Man kann es sich als eine Art Kulturcamp vorstellen: „Gelebte Demokratie ist das!“ 

Statt “zu viel Showgeschäft” nun Gemeinwesenarbeit

Durch seine Tätigkeit im Veranstaltungsmanagement wurde Jonathan auch mit der Logistik von Veranstaltungen vertraut. Er organisierte Firmenfeste, Hochzeiten und Messen und absolvierte Weiterbildungen zum Thema Konzeption und Nachhaltigkeit bei Veranstaltungen. Irgendwann war ihm das jedoch „zu viel Showgeschäft“, weshalb er davon Abstand nahm und sich vermehrt darum kümmerte, was ihm am besten am Herzen liegt: die Gemeinwesenarbeit. 

Filmclub in der Wiesenburg in Wedding

Eine Brücke zwischen diesem Bereich und seiner „alten“ Tätigkeit beim Film schlägt er mit dem Filmklub in der Kulturstelle „Wiesenburg“ im Wedding. Dort auf dem Degewo-Gelände, auf dem früher mal ein Obdachlosenasyl beheimatet war, arbeitete, gründete Jonathan den VHS-Club „Grüner Pudel“. Bestand: rund 4.000 Filmkassetten und auch immer mehr DVDs. Dort werden jede Woche gemeinsam Filme in kleiner Runde angeschaut. Im Oktober stehen wegen „Spuktober“ vor allem Horror- und Gruselfilme auf dem Programm.

Bühnendesign mit Winkelschleifer und Akkuschrauber

Wo sich prima der Gesprächsfaden weiter zum Dachboden e.V. schlagen lässt, bei dem Jonathan ganz konkret handwerklich anpackt und der vor allem Bühnen designerisch gestaltet. Vergangenen Sommer zimmerte dieses Kollektiv z.B. beim “Mystic Creatures Festival” in Polen ein riesige Festivalbühne, die aus Fachwerkhäusern und einem voll ausgestatteten Hexenhaus bestand. 

Mentor für die Erstsemester, Fahrradreparateur und Siebdrucker

Jonathan ist Gewerkschaftsmitglied und Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung, dem Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Als Studentenjob - eine Art „Mentor“ - bringt er den Erstsemestern an seiner Hochschule das wissenschaftliche Arbeiten bei. Außerdem  repariert er ab und zu Fahrräder in der Kiezwerkstatt 35 Services und bietet dort auch Siebdruck-Kurse an. 

Wie Jonathan all diese vielfältigen Aktivitäten miteinander vereinbaren kann? 

„Das geht alles irgendwie organisch ineinander über,“ meint er und gibt zu, dass sein Kalender ziemlich gefüllt ist. Toll, dass er trotzdem Zeit für das Interview gefunden hat. Und wie es bei ihm weitergeht? Jonathan wünscht sich kurzfristig, dass es mit einem Praktikum im Moabiter Stadtschloss klappt, und perspektivisch, dass er nach seinem Studienabschluss eine passende Stelle in der Gemeinwesenarbeit findet. Viel Glück bei beidem!

Gemeinschaftsgarten MOABEET - wer möchte mitmachen? 
Ob erfahren im Gärtnern oder noch Neuling ohne grünen Daumen, Moabeet ist offen für alle Interessierten an der Gemeinschaft im Freien. 

Kontakt zum Verein: moabeetvorstand@gmail.com

Wie es früher lief? 

Im Jahr 2020 hatten wir schon mal über den Moabeet e.V. berichtet.

Kontakt zu Jonathan Jehle: https://jonathanjehle.my.canva.site/

Text & Interviewfotos im Garten: © Gerald Backhaus 2025

Die anderen Fotos stammen von Jonathan Jehle, Gartenverein und Dachboden e.V.